"Tod, Verrat, Verzweiflung": Literaturkurs inszeniert Jean Anouihs Antigone

Der Literaturkurs (Q1) unter der Leitung von Karin Kreikebaum inszenierte Jean Anouihs Neufassung des antiken Dramas Antigone von Sophokles. Gezeigt wurde eine verdichtete Fassung des Stücks (1944), das der Kurs selbst umschrieb und mit Schauspiel, Tanz- und Bewegungsimproviationen inszenierte. Ein klassischer Kunstgriff ist die Mehrfachbesetzung von Figuren. Identische Kostüme und fließende Übergänge bei den Wechseln erzeugten jeweils eine in sich stimmige Figurengestaltung.

18. Juni. Aula. Das Drama Antigone von Jean Anouilh basiert auf der Tragödie des griechischen Dichters Sophokles. Anouilh übernimmt Figuren, Handlungsgefüge und den Schauplatz, verlegt die Handlung aber in das 20. Jahrhundert. Auffallend an dieser Neufassung ist, dass schon in der Textvorlage Szenen und Akte nicht klar getrennt werden. Szenenwechsel erschließen sich nur durch das Auftreten oder Abgehen der Figuren. 

Antigone

Diese Besonderheit greift Karin Kreikebaum mit ihrem Ensemble geschickt auf: Vor dem Publikum lässt sie innerhalb von 45 Minuten einen Reigen an Figuren teils simultan auftreten, ohne dass die zentralen Figuren an Tiefenschärfe einbüßen. Zu Beginn der Aufführung befinden sich alle Figuren auf der Bühne. Ein Sprecher stellt sie dem Publikum vor, indem er zugleich die Vorgeschichte erzählt: Antigone bestattete heimlich in der Nacht die Leiche ihres aufrührerischen Bruders Polyneikos gegen das Verbot von König Kreon. Sie wird mit ihrem Leben bezahlen.

Selbst die eindringlichen Worte ihrer Schwester Ismene (Hanna Wehrmacher) können sie nicht umstimmen. So offenbart sie sich ihrem Verlobten Hämon (Janne Siebertz), der ihr schwören muss ihre Entscheidung zu respektieren. Kurz darauf berichtet ein Wächter König Kreon, dass die Leiche Polyneikos mit Erde bedeckt worden sei. Man habe eine Kinderschaufel und winzige Fußspuren gefunden. Kreon vermutet eine Intrige der Opposition, die ihn dazu bringen will die Todesstrafe an einem Kind zu vollstrecken. So werde das Volk gegen ihn aufgebracht.

"Die Tragödie ist eine todsichere Angelegenheit"

Wieder taucht der Sprecher auf und kommentiert das Geschehen. Er stellt fest, dass eine Tragödie bestimmten Regeln folge: "Das Uhrwerk ist aufgezogen ... Tod, Verrat, Verzweiflung ... die Tragödie ist eine todsichere Angelegenheit." Es gebe keine trügerische Hoffnung, keine Rettung des tragischen Helden. Wie nebenbei werden die Zuschauer in die gattungsspezifischen Merkmale einer Tragödie eingeführt, die sich zugleich auf der Bühne vor ihnen entfalten.

Nach dem Abgang des Sprechers betreten drei Wächter die Szene mit Antigone in Handschellen. König Kreon rät seiner Nichte diesen Verstoß nicht einzugestehen, doch sie bleibt fest entschlossen für ihre Tat zu büßen. Kurz vor ihrer Hinrichtung diskutieren die Wächter ihre Belohung für das Erfassen der Übeltäterin. Der antiken Heldenwelt wird auf diese Weise die Banalität des Alltags entgegen gestellt. Die Wächter sind moderne Söldner, Mitläufer eines Regimes, das sie nur entlohnen muss, damit sie bereit sind zu töten.

 

"Alles oder nichts."

Eindringlich wirkt die Szene von Antigone und ihrem Wächter, kurz nachdem sie entschieden hat für ihren Verrat mit dem Tod zu büßen. Die junge Heldin (hier: Athanasia Kioutsouki) fragt, ringend mit ihrer Todesangst, wie sie getötet werde. Ihr Wärter antwortet lakonisch "ganz allein". Der Tod in Isolation wirkt umso brutaler. Antigone diktiert dem indifferneten Wächter einen Abschiedsbrief an Hämon, in dem sie gesteht, nicht mehr zu wissen, wofür sie sterbe. Ihr Abschiedsbrief endet mit dem Appell "Verzeih!" Die junge, leidenschaftliche Antigone scheitert Idealen, an die weder sie noch König Kreon wirklich glauben. Ihr Tod erscheint sinnlos.

Antigone - abwechselnd gespielt von Laura Sabbatino, Nancy Seif, Kiara Schwarz, Feyza Akkus und Athanasia Kioutsouki - tritt dem Publikum zugleich leidenschaftlich, melancholisch und verzweifelt entgegen. Die Mehrfachbesetzung des Königs mit Adrian Emkes, Devid Tüpa, Lukas Hacket und Daniel Sawatzki führt zu einer facettenreichen Figurengestaltung.

Die Tragödie erfasst auch den König selbst. Ein Bote (Rebecca Pistorius) berichtet ihm, Kreons Frau Eurydike habe sich die Kehle durchgeschnitten, nachdem sie von Hämons Tod hörte, der sich in Antigones Verlies erstach. Kreon nimmt die Nachricht unbewegt entgegen. Der Sprecher kommentiert: "Kreon ist nun allein. Alle sind tot." Nur die Wächter hätten überlebt, da sie nichts etwas anginge. In dieser letzten Szene treten die Wächter auf die Bühne und spielen Karten. 

Geradezu atemlos verfolgt der Zuschauer das Geschehen auf der Bühne, das mit klugen Tempowechseln dargestellt wird. Ein plötzliches Schlaglicht setzt den Heiratsantrag von Hämon an Antigone inmitten eines Balls gekonnt in Szene.

Antigone Antrag

Hämon (Janne Siebertz) macht der tragischen Heldin Antigone (Laura Sabbatino) einen Heiratsantrag 

Eine Fechtszene, in blutrotes Licht getaucht, wird in slow motion dargestellt. Hier entscheidet sich Karin Kreikebaum bewusst für verzögerte Bewegungsabläufe. Auffällig ist auch Adrian Emkes als König Kreon, da er raumgreifende Gesten nutzt und seine Stimme in Höhe und Volumen stark modelliert.

Kurz vor der Hinrichtung erlaubt die Inszenierung Antigone Zeit für Zweifel und Verzweiflung. Solche und andere Momente setzen Kontrapunkte zu einer kurzen Inszenierung, die dennoch die Zuschauer berührt.

Einige Schüler sitzen nach dem Stück noch vor der Aula, genießen den lauen Sommerabend, der noch längst nicht endet und stellen erstaunt fest, wie kreativ, kurzweilig und unterhaltsam ein Theaterstück sein kann. Auch die technische Umsetzung von Ton und Licht der Aufführung von Virginia Schmidke, Marlon Weiß, Paul Wenzel, Marc Räde und Ariane Herpers trägt dazu bei, dass diese Inszenierung sehr atmosphärisch auf die Bühne gebracht wurde.

Antigone fansklein

Eine Theateraufführung in ansprechender Form und ungewohnter Kürze - Nach der Aufführung genießen die Besucher den lauen Sommerabend

 

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